Sexagesimä, 07.02.2021

Von Pfarrerin Nora Rämer

Predigtgedanken zu Lukas 8,4-15

Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus jeder Stadt zu ihm eilten, sprach er durch ein Gleichnis: Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges an den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen's auf. Und anderes fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. Und anderes fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten's. Und anderes fiel auf das gute Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Da er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre!
Es fragten ihn aber seine Jünger, was dies Gleichnis bedeute. Er aber sprach: Euch ist's gegeben, zu wissen die Geheimnisse des Reiches Gottes, den andern aber ist's gegeben in Gleichnissen, dass sie es sehen und doch nicht sehen und hören und nicht verstehen.
Das ist aber das Gleichnis: Der Same ist das Wort Gottes. Die aber an dem Weg, das sind die, die es hören; danach kommt der Teufel und nimmt das Wort von ihrem Herzen, damit sie nicht glauben und selig werden. Die aber auf dem Fels sind die: Wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an. Sie haben aber keine Wurzel; eine Zeit lang glauben sie, und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab. Was aber unter die Dornen fiel, sind die, die es hören und gehen hin und ersticken unter den Sorgen, dem Reichtum und den Freuden des Lebens und bringen keine Frucht zur Reife. Das aber auf dem guten Land sind die, die das Wort hören und behalten in einem feinen, guten Herzen und bringen Frucht in Geduld.

Wenn wir das Gleichnis vom Sämann  mit seiner Deutung lesen, könnte der Gedanke an eine soziologische Studie über die Kirchenmitgliedschaft kommen.
Eine Studie, die Aussagen über die Intensität und Dauer der Kirchenbindung macht. Da gibt es Skeptiker, diejenigen, die eher locker partizipieren wie diejenigen, die fest mit ihrer Kirche verbunden sind.
Ohne alle diese Mitglieder wären die Landeskirchen schön längst zu einer Minderheit zusammengeschrumpft.
Wie im Gleichnis, so finden sich in den Gemeinden diejenigen, die sich schnell begeistern lassen, aber deren Begeisterung schnell verpufft, wenn die Zugehörigkeit etwas kostet. Finanzielles oder persönliches Engagement.
Da sind diejenigen, die als Gast auf Zeit teilhaben, die ein Leben lang suchen und sich mal hier mal dort niederlassen und es gibt die Skeptiker. Diejenigen, die immer wieder ihre Fragen und Anfragen  an Kirche, Glauben und Gemeinden stellen.
Sie geben sich weder mit dem Verwies auf altbewährte Traditionen, noch mit pauschalen Antwortmustern zufrieden.
Im Gespräch mit ihnen zu sein, ist die Chance, seinen eigenen Glauben und die damit verbundene persönliche Haltung in Worte zu fassen.
Auf die Glaubenden im Umfeld des Lukas mag dieses Fragen wie ein Werk des Teufels gewirkt haben, schließlich war die sich gerade formierende christliche Gemeinde noch nicht gefestigt und vielen Anfechtungen ausgesetzt.
Da schienen Fragen und Hinterfragungen für eine Festigung der christlichen Gemeinschaft nicht hilfreich. Auch heute ist  die christliche Kirche vielen Anfechtungen ausgesetzt. Es ist notwendig, dass wir uns anfragen und hinterfragen lassen. Für eine Kirche von morgen ist es unverzichtbar mit Denjenigen ins Gespräch zu gehen, die diese Fragen stellen.
Das Gleichnis ist keine Botschaft für Eingeweihte-Kirchennahe. Es spricht vom Wort, der guten Botschaft, die zum Leben führt.
Es geht um das Hören. So zu hören, dass das Wort in uns auf einen Grund fällt, auf dem es sich entfalten kann. Worte, die nicht unserer Herz erreichen,  sondern lediglich auf der Metaebene, dem Kopf verortet bleiben, werden sich nicht zum lebendigen fruchtbringenden Glauben entfalten können.
Hören und tun sieht Jesus zusammen. Es gibt keinen Automatismus, der das Gehörte in das Leben überführt. Das Gleichnis beschreibt, wie umkämpft der Weg ist. Das Gehörte ins eigene Leben zu überführen ist ein innerer wie äußerlicher Prozess.

Das Entscheidende liegt zwischen Hören und Handlung.
1. Auf dem Weg, direkt weggepickt: Informationen, Worte, Anregungen, die in der Überfülle sofort überlagert und weggewischt werden;
2. kein Wurzelgrund, kein Wasser, kein Wachstum: auch die guten Inspirationen finden im Alltag keinen Raum und werden schnell vergessen;
3. vom Gestrüpp erstickt: in der Fülle der Alltagsanforderungen nach hinten gedrängt und irgendwann untergegangen;
4. in guter Erde, dem reinen und guten Herzen, aufgegangen und Frucht getragen: im Leben verankert und verändernd gewirkt.
ad 1. es braucht das Einüben der Fähigkeit, aus dem Vielen das dem Leben Dienende herauszufiltern und dieses eine festzuhalten;
ad 2. dieses eine, noch kleine, gilt es zu nähren, zu wässern, zu unterstützen;
ad 3. es immer wieder zu verteidigen gegen so vieles Laute und ach so Wichtige;
ad 4. dann kann es wachsen, sich im Leben verwurzeln und das Leben prägen.

Dies stellt die Frage nach einer im individuellen Alltag zu verankernden Spiritualität, d.h. nach einzuübenden Wegen, das jeweils eigene, gefundene Korn zu schützen und zu pflegen. 
Welche Weisen, Glauben zu leben und zu verwurzeln bieten wir in der evangelischen Kirche an? Was und wie können Menschen lernen zu leben, damit die guten Körner nicht umgehend weggepickt werden?
Das Ackerfeld liegt zwischen Montag und Sonntag, hier finden Glück und Unglück des Wortes statt, wird der alltag wie der Festtag gelebt.
Kluge Formen lebensbejahender Spiritualität sind gut evangelisch! Ziel ist ja nicht die gepflegte Innerlichkeit, sondern das zu Gutem geprägte Leben: Frucht hundertfach. So weist Jesus  uns darauf hin,dass es nicht nur um rein menschliches sondern  auch um göttliches Wirken geht.
Wenn das Gleichnis ein Gespräch anstoßen könnte, bei dem gefragt und gehört wird, was wir haben und brauchen, um behalten, nähren, verteidigen und pflegen zu können, wäre etwas Schönes begonnen.

Amen.