Gedanken zu Johannes 2,1-11 – Das Weinwunder

Von Pfr. i.R. Thomas Spiegelberg

Und am dritten Tage war eine Hochzeit in Kann in Galiläa, und die Mutter Jesus war da. Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen. Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: sie haben keinen Wein mehr. Jesus spricht zu ihr: Was geht`s dich an, Frau, was ich tue? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.

Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut. Es standen aber dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte, und in jeden gingen zwei oder drei Maße. Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan. Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt`s dem Speisemeister! Und sie brachten`s ihm. Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wusste, woher er kam – die Diener aber wussten`s, die das Wasser geschöpft hatten -, ruft der Speisemeister den Bräutigam und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und wenn sie betrunken werden, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückbehalten. Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen in Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.

Liebe Leserin, lieber Leser,

Klar, die Geschichte vom Weinwunder in Kana, die kennen wir natürlich. Sie ist schnell nochmal erzählt: Wie auf einer Hochzeit der Wein ausgegangen ist und Jesus dafür gesorgt hat, dass er dann wieder in Strömen fließen konnte, weil er große Mengen von Wein – und sogar den von der feinsten Sorte - verwandelt hat.

Doch was können wir mit solch einer Geschichte heute anfangen? Reiner Luxus. Wir haben andere Sorgen. Können nicht mal Abendmahl zusammen feiern. Ganz zu schweigen von Kaffeekränzchen in der Gemeinde. Weiß Gott, wir haben doch andere Probleme! Und Alkohol wird in Pandemie-Zeiten sowieso zu viel getrunken. Mit welcher Absicht ist diese merkwürdige, ja fast peinliche Geschichte aufgeschrieben worden? Die Erklärung kommt erst zum Schluss mit dem Hinweis, hier habe Jesus seine Herrlichkeit offenbart und seine Jünger glaubten an ihn. Mit der Herrlichkeit Jesu ist im Johannesevangelium immer sein Sieg im Leiden und Sterben gemeint.

Darauf verweist am Anfang die Zeitangabe „am dritten Tage“: was jetzt kommt, ist ohne Ostern gar nicht zu verstehen. Nach drei Tagen ist Jesus auferstanden. In Kana ist Hochzeit. Da wird tagelang getrunken, gelacht und getanzt. Wie sehr sehnen sich viele danach, wieder miteinander zu feiern! Und Jesus ist mit seiner Mutter dabei. Offenbar war er kein Asket. Er ist nicht gekommen, um den Menschen das Feiern zu verleiden. 

Aber er sah seine Aufgabe auch nicht darin, Feste unentwegt in Gang zu halten. Mit dieser Bitte kommt seine Mutter auf ihn zu: Sieh mal, der Wein geht zu Ende. Das kannst du doch nicht zulassen. Das war aber nicht seine Aufgabe. Deshalb weist er seine Mutter so schroff zurück: Was geht`s dich an, Frau, was ich tue? Das sieht jedenfalls nicht nach Marienverehrung aus.

Die nächsten Worte Jesu „meine Stunde ist noch nicht gekommen“ machen deutlich, dass die Geschichte auf einer ganz anderen Ebene weitergeführt wird. Mit dieser Stunde ist die Stunde seines Todes gemeint. Eine ganz besondere Stunde, die über den Tod hinaus führt. So deutet das Bild vom ausgehenden Wein auf ausgehendes Leben hin. Wenn die Grenzen unseres Lebens sichtbar werden, wenn mit dem Tod die große Leere ins Leben einbricht, dann bekommt der Hinweis auf die Stunde Jesu Strahlkraft. Denn da sagt Jesus eben nicht: „Mensch, was gehst du mich an?“ Nein, das fühlt und leidet er mit, so dass wieder festliche Freude einzieht und fröhliche Lieder gesungen werden.

Das erinnert mich an die Hochstimmung des Liedes von Philipp Nicolai „Wachet auf, ruft uns die Stimme“, wo es am Ende heißt: „Kein Aug hat je gespürt, kein Ohr hat mehr gehört solche Freude". Seine Auferstehung, auf die gleich die ersten Worte der Geschichte hinweisen, ist in der Tat das erste und entscheidende Zeichen, das Jesus unserem Glauben gibt. Und wie bekommen wir mitten in unserem Leben, in den Gefährdungen und Ängsten dieser Zeit, schon etwas mit von dieser Herrlichkeit. Das von dieser Herrlichkeit geprägte Bild beginnt mit Marias Anweisung an die Diener: „Was er euch sagt, das tut!“ – Das gilt auch uns. Damit können wir leben.

Amen