02/07/2024 0 Kommentare
Die ökumenische Pfingstpredigt von Pfarrerin Karin Singha-Gnauck
Die ökumenische Pfingstpredigt von Pfarrerin Karin Singha-Gnauck
# Geistliche Nahrung
Die ökumenische Pfingstpredigt von Pfarrerin Karin Singha-Gnauck
Predigt zum ökumenischen Pfingstgottesdienst, Predigttext: Joh 15,26-16,3.12-15
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen!
Liebe Gemeinde,
zu Pfingsten geht es um den Geist der Wahrheit! Was für ein hoch aktuelles Thema! Ja, was ist wahr?
Diese Frage stellen sich heutzutage viele Menschen - und kommen doch zu so unterschiedlichen Aussagen. Schon seit längerem ist ein Machtkampf entfacht, der durch Informationen, gezielte Falschinformationen und Leugnen von Tatsachen ausgetragen wird.
Nicht nur, dass Halbwahrheiten als Tatsachen dargestellt werden, ein bisschen geschummelt wird, hier was weggelassen, da etwas hinzugefügt wird. Über dieses Stadium sind wir leider längst hinaus. Gefälschte Nachrichten bestimmen immer mehr die öffentlichen Diskussionen. Heutzutage wird bewusst gelogen, Zusammenhänge konstruiert und Erdachtes behauptet - in aller Öffentlichkeit.
Wär hätte vor einigen Jahren gedacht, dass das in der westlichen Welt möglich wäre?!
Nun ja, gleichzeitig wissen wir, dass dies kein neues Phänomen ist. Neu ist, dass aus unserer Sicht anerkannte und verbündete Staaten solche Staatsmänner an ihrer Spitze haben und auch in Deutschland die Feindbilder extremer werden, so dass die Grundlage für ein Gespräch bröckelt. Oftmals geht es nicht darum, sich inhaltlich zu streiten und um Wahrheit zu ringen, sondern darum, sich durchzusetzen.
Das ist heute nicht anders als früher. Sehen wir uns das Johannes-Evangelium an. Ich hatte mich oft gefragt, warum bei der Frage nach der Wahrheit nicht auf die philosophischen Fragestellungen der damaligen Zeit eingegangen wird. Noch heute wirkt die griechische Philosophie als Grundlage heutigen Denkens in der westlichen Welt.
Doch im Johannes-Evangelium kommt sie kaum vor. Da geht es weniger um Gedanken und Argumente, als vielmehr um die Frage: wie stehst du zu Jesus Christus?
Die Beziehung zu Menschen bzw. vor allem zu diesem einen Menschen, an dem sich die Geister scheiden, beantwortet die Wahrheitsfrage. Warum gerade er?
Warum soll ich mich für diesen Menschen entscheiden? Von den Römern ist er zur Abschreckung brutal am Kreuz hingerichtet worden. Als Gekreuzigter galt er gemäß der Heiligen Schrift als verflucht. Ein verfluchter Aufrührer. Was für eine Erniedrigung. Und eine Schande für alle, die zu ihm hielten.
Pilatus dagegen wusch sich die Hände in Unschuld. Was für ein Hohn! Jeder wusste doch, wie viel unschuldiges Blut er vergossen hatte! So auch das dieses unschuldigen Mannes, der anderen das Leben schenkte. In Jesu Gegenwart wurden Menschen gesund, verschwand ihre Lähmung und sie konnten wieder gehen. Auf seine Frage, was sie wollen, lernten sie neu sehen. Er machte sich nicht selber zum Helden, sondern sagte: „Dein Glaube hat dir geholfen.“ Diese Wahrheit führt zum Leben.
Die des römischen Militärs und der religiösen Führung, die sich der Besatzungsmacht anbiederte, führte für viele Unschuldige zur Herabwürdigung bis hin zum Tod. Ein verfluchter Aufrührer, von dem man sich fernhalten soll? Nein, umgekehrt, in dieser schändlichen Erniedrigung hoch am Kreuz ist die wahre Größe dieses Jesus, dem Christus, zu erkennen. War nicht abzusehen, dass es so enden würde? Trotzdem ließ er sich nicht abschrecken. Und nein, das Ende ist es noch lange nicht. Für uns Menschen war dies ein neuer Anfang.
Seit dieser Erhöhung am Kreuz ist Christus die Verkörperung der Wahrheit. Halten wir Kontakt zu ihm, so leben wir in der Wahrheit. Christus ist also unser Maßstab für all das, was wir tun und denken.
Zu Pfingsten feiern wir den Geist der Wahrheit, also Gottes gute Kraft, die uns in dieser Wahrheit hält und die Beziehung zu Christus stärkt.
Was heißt das nun konkret? Gestern habe ich ein Gespräch über die Corona-Maßnahmen mitbekommen. Eine hatte eine klare Position. Die Politiker dramatisieren. Das Virus sei gar nicht so schlimm. Jetzt sollten wir endlich wieder zu unserem normalen Leben übergehen.
Ich selber kann nicht sagen, wie gefährlich das Virus ist. Diese Antwort lasse ich offen. Doch gleichzeitig ist mein Ziel, dass in meiner Gegenwart keiner erkranken soll. Wie Jesus möchte ich eher, dass die Menschen um mich herum gesund werden. Also tue ich alles dafür, was in meiner Möglichkeit liegt. Und die hohen Todeszahlen in den verschiedenen Ländern auf der ganzen Welt lassen mich vorsichtig sein. So unangenehm mir der Mundschutz ist: Für die Menschen um mich herum, trage ich ihn gern.
Dagegen vergleiche ich mich mit jeder Plastiktüte in meiner Hand eher mit dem römischen Reich, das eine fantastische Infrastruktur ausgebaut und für viel Luxus gesorgt hatte. Aber es kostete vielen Menschen und auch Tieren das Leben durch die Unterwerfungen von Völkern sowie in den Arenen. Eine Plastikmülltüte zeigt mir unseren Wohlstand im Überfluss. Wir produzieren etwas, nur um es wegzuschmeißen. Vor meinen Augen sind die großen Müllberge und die verschmutzten Gewässer, in denen Delphine und viele andere Tiere zugrunde gehen.
Daran merke ich, wie schwer es ist, in der Wahrheit zu leben und Christus nachzufolgen, der Leben schenkt und nicht Verderben.
So bitte ich umso intensiver um den Heiligen Geist. Jetzt gerade auch zu Pfingsten 2020, bei dem immer noch sogenannte Kontaktbeschränkungen gelten. Ist Pfingsten nicht gerade das Fest der Gemeinschaft? Hat nicht der Heilige Geist die Jüngerschar in Feuer und Flamme geraten lassen, so dass sie auf die Straße und Marktplätze hinausgegangen sind und sich mit den Leuten unterhalten hatten? Ja, doch ist nicht der Ort das Entscheidende, sondern die Menschen. Pfingsten ist das Fest, wo Menschen ihren Ort und ihre Sprache verlassen. Und sie gehen auf andere zu, an den Ort, wo sie gerade sind. Sie reden in der Sprache, die für die anderen verständlich ist.
Für uns heute kann das heißen, dass wir auf das Brausen in unserem Inneren hören. Vielleicht springt ja ein Funke über und entflammt uns. Wem könnte es gut tun, wenn wir melden? Das kann über das Telefon, die sozialen Netzwerke, auf der Straße oder über den Balkon geschehen. Ein kleiner Pfingstgruß.
Der Geist der Wahrheit bringt uns in Beziehung. Und seien Sie nicht enttäuscht, wenn dann jemand meint, Sie wären berauscht! Wohl zu viel des süßen Weins genossen… Das haben unsere Vorfahren auch gehört. Achselzucken oder Spott — der Heilige Geist gibt uns Mut, dass wir uns von dieser ‚Auszeichnung’ nicht abhalten lassen. Eher können wir neugierig sein, was er mit uns vorhat.
Der Friede Gottes, jegliche Vorstellung übertrifft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
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